Erwachsenenschutz

Das Erwachsenenschutzrecht
Im Erwachsenenschutzrecht geht es darum, das Wohl und den Schutz von Personen, die an einem Schwächezustand leiden (z.B. geistige Behinderung oder psychische Störung) sicherzustellen, falls ihre Interessen nicht anderweitig gewahrt sind.

Gesetzliche Grundlage:
Die gesetzliche Grundlage des Erwachsenenschutzrechtes findet sich in den Art. 360 bis 456 Zivilgesetzbuch (ZGB). Organisation und Verwaltung sind auf kantonaler Ebene im Wesentlichen im Gesetz über die Einführung des Zivilgesetzbuches des Kantons Basel-Landschaft (EG ZGB BL) und im Verwaltungsverfahrensgesetz des Kantons Basel-Landschaft (VwVG BL) geregelt. Jegliche Gesetze im Zusammenhang mit dem Erwachsenenschutzrecht können unter Infos/Downloads eingesehen werden.

Subsidiarität
Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) ordnet nur Massnahmen des Erwachsenenschutzes (Beistandschaft) an, wenn die Unterstützung der hilfsbedürftigen Person durch die Familie, andere nahestehende Personen oder private oder öffentliche Dienste nicht ausreicht oder von vornherein als ungenügend erscheint (Art. 389 Ziff. 1 ZGB).

Voraussetzung für die Errichtung einer Beistandschaft
Wenn keine Unterstützung auf freiwilliger Basis möglich ist oder die Massnahmen von Gesetzes wegen nicht genügen, prüft die KESB die Errichtung einer Beistandschaft in folgendem Falle: Wenn eine volljährige Person wegen einer geistigen Behinderung, einer psychischen Störung oder einem anderen Schwächezustand ihre Angelegenheiten nur teilweise oder gar nicht mehr erledigen kann (Art. 390 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB), oder wenn diese wegen vorübergehender Urteilsunfähigkeit oder Abwesenheit in Angelegenheiten, die erledigt werden müssen, weder selber handeln, noch eine zur Stellvertretung berechtigte Person benennen kann (Art. 390 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB).

Eine Beistandschaft wird zum Wohle und zum Schutz einer hilfsbedürftigen Person errichtet. Somit ist bei der Führung des Mandates die Selbstbestimmung der betroffenen Person so weit als möglich zu erhalten und zu fördern. Die Beistandsperson hat aber auch Entscheidungen zu treffen und Handlungen vorzunehmen, zu denen die verbeiständete Person nicht mehr in der Lage ist. Das Handeln der Mandatsperson soll dennoch nach Möglichkeit im Einvernehmen mit der betroffenen Person und/oder nach Weisung der KESB geschehen und stets im Interesse der hilfsbedürftigen Person liegen.

Inhaber eines vormundschaftlichen Mandats unterstehen der Schweigepflicht (Art. 413 Abs. 2 ZGB). Somit dürfen ohne ausdrückliches Einverständnis der verbeiständeten Person nur Daten (Namen, Adressen, Anordnungen, Auskünfte, Wahrnehmungen usw.) an Dritte weiter gegeben werden, wenn dies zur Ausübung des Mandats notwendig ist. Die Schweigepflicht endet nicht mit dem Ableben des Betroffenen, sondern bleibt auch nach der Entlassung aus dem Amt noch bestehen.

Antrag / Gefährdungsmeldung / Errichtung
Die Beistandschaft wird auf Antrag der betroffenen Person selbst, einer nahestehenden Person oder von Amtes wegen errichtet (Art. 390 Abs. 3 ZGB).

Antrag auf eine Beistandschaft kann jede Person stellen. Die Meldung, im Sprachgebrauch Gefährdungsmeldung genannt, hat bei der KESB des Wohnsitzes der betroffenen Person schriftlich zu erfolgen. Dabei sollte der Sachverhalt, die Hilfsbedürftigkeit der betroffenen Person und die vollständigen Personalien genannt werden. Für Rückfragen ist es notwendig, wenn die Antrag stellende Person ebenfalls ihre Personalien und Kontaktdaten angibt. Die KESB klärt in der Folge ab, ob die Voraussetzungen für die Errichtung einer Beistandschaft gegeben sind.

Sollten die Voraussetzungen für die Errichtung erfüllt sein, ernennt die Erwachsenenschutzbehörde eine Beistandsperson, die für die vorgesehenen Aufgaben persönlich und fachlich geeignet ist (Art. 400 ZGB). Die hilfsbedürftige Person kann eine Vertrauensperson vorschlagen. Die KESB kommt den Wünschen der betroffenen Person nach, sofern die vorgeschlagene Person für das Amt geeignet ist und auch gewillt, dieses zu übernehmen (Art. 401 Abs. 1 ZGB). Genauso werden Wünsche auch bei einer Ablehnung beachtet (Art. 401 Abs. 3 ZGB). Soweit als möglich werden auch Vorschläge von Angehörigen oder anderen nahestehenden Personen berücksichtigt (Art. 401 Abs. 2 ZGB). Die Beistandsperson ist zur persönlichen Interessenwahrung der verbeiständeten Person ermächtigt.

Die Mandatsperson erhält in der Folge eine Ernennungsurkunde, mit der sie sich ausweist. Die Urkunde legitimiert sie gegenüber Drittpersonen – je nach konkretem Auftrag – in die administrativen, rechtlichen und persönlichen Belange der verbeiständeten Person Einsicht zu nehmen und diese im Rechtsverkehr zu vertreten. Die Befugnisse entfallen nur dann, wenn von Gesetzes wegen eine Interessenskollision besteht – Beispiel: Beistandsperson und hilfsbedürftige Person sind am selben Nachlass beteiligt (Art. 403 Abs. 2 ZGB).

Arten der Beistandschaften
Das Erwachsenenschutzrecht sieht folgende Massnahmen vor:

1. Begleitbeistandschaft (Art. 393)

      1. Bei der Begleitbeistandschaft handelt es sich um die niedrigste Stufe der behördlichen amtsgebundenen Massnahmen. Die Massnahme beschränkt sich auf begleitende Unterstützung und wird nur mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person errichtet (Art. 393 Abs. 1 ZGB). Mit einer Begleitbeistandschaft ist weder eine Vertretungskompetenz durch die Mandatsperson noch eine Beschränkung der Handlungsfähigkeit der betroffenen Person verbunden (Art. 393 Abs. 2 ZGB). Die begleitende Unterstützung beschränkt sich auf Angelegenheiten und Aufgaben, welche von der Behörde bezeichnet werden.

2. Vertretungsbeistandschaft (Art. 394)

      1. Diese Massnahme wird errichtet, wenn die hilfsbedürftige Person bestimmte Aufgaben nicht selbständig erledigen kann und deshalb vertreten werden muss (Art. 394 Abs. 1 ZGB). Diese Aufgaben werden von der KESB definiert und die Mandatsperson ist im Umfang dieser Aufgaben rechtsgeschäftliche Vertretung der betroffenen Person. Keiner Vertretung zugänglich sind verbotene Geschäfte (Art. 412 Abs. 2 ZGB) und bestimmte höchstpersönliche Angelegenheiten. Auf die Handlungsfähigkeit der hilfsbedürftigen Person hat die Vertretungsbeistandschaft grundsätzlich keinen Einfluss. Es besteht damit eine Parallelzuständigkeit zwischen Beistandsperson und verbeiständeter Person.
      1. Allerdings kann durch die KESB eine Einschränkung der Handlungsfähigkeit ausdrücklich verfügt werden (Art. 394 Abs. 2 ZGB). Eine solche Beschränkung kann sich dabei je nachdem auf die gesamten übertragenen Aufgaben oder nur auf einen Teil davon beziehen und bewirkt im Umfang der Handlungsfähigkeitseinschränkung eine Alleinzuständigkeit der Mandatsperson. Im Gegensatz zur Begleitbeistandschaft muss sich die betroffene Person bei der Vertretungsbeistandschaft die Handlungen der Beistandsperson anrechnen und gefallen lassen (Art. 394 Abs. 3 ZGB).
      1. Im Fall der Errichtung einer Vertretungsbeistandschaft im Vermögensbereich bestimmt die KESB die Vermögenswerte, die von der Beistandsperson verwaltet werden sollen. Sie kann Teile des Einkommens oder das gesamte Einkommen, Teile des Vermögens oder das gesamte Vermögen oder das gesamte Einkommen und Vermögen unter die Verwaltung des Beistands stellen (Art. 395 Abs. 1 ZGB). Zudem umfasst die Verwaltungsbefugnis auch die Ersparnisse aus dem verwalteten Einkommen oder die Erträge des verwalteten Vermögens, sofern die KESB nichts anderes verfügt (Art. 395 Abs. 2 ZGB). Ohne die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person einzuschränken, kann ihr die KESB den Zugriff auf einzelne Vermögenswerte entziehen (z.B. Kontosperre, Vorenthalten einer beweglichen Sache; Art. 395 Abs. 3 ZGB). Die KESB kann zudem der schutzbedürftigen Person untersagen, über ein Grundstück zu verfügen, dies muss jedoch beim Grundbuchamt entsprechend hinterlegt werden (Art. 395 Abs. 4 ZGB).

3. Mitwirkungsbeistandschaft (Art. 396)

      1. Bei der Mitwirkungsbeistandschaft bedürfen von der KESB bestimmte Handlungen der hilfsbedürftigen Person der Zustimmung der Beistandsperson (Art. 396 Abs. 1 ZGB). Dementsprechend ist in den von der KESB definierten Bereichen die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person mittels eines entsprechenden Mitwirkungsvorbehalts von Gesetzes wegen eingeschränkt. Die Beistandsperson kann nicht anstelle der verbeiständeten Person handeln, ist also nicht Vertreterin. Die hilfsbedürftige Person muss selber handeln, ihre Handlungen werden jedoch erst mit Zustimmung des Beistands rechtswirksam. Die Errichtung einer Mitwirkungsbeistandschaft kommt somit nur für (im betroffenen Bereich) urteilsfähige Personen in Betracht.

4. umfassende Beistandschaft (Art. 398)

        1. Die umfassende Beistandschaft ist die einschneidenste Form der Beistandschaften im Erwachsenenschutz und wird nur dann errichtet, wenn eine Person besonders hilfsbedürftig ist (Art. 398 Abs. 1 ZGB). Sie bezieht sich auf alle Angelegenheiten der Personensorge, Vermögenssorge und des Rechtsverkehrs (Art. 398 Abs. 2 ZGB). Die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person entfällt von Gesetzes wegen vollumfänglich (Art. 398 Abs. 3 ZGB). Die Beistandsperson ist vollumfängliche gesetzliche Vertreterin mit ausschliesslicher Vertretungskompetenz. Vorbehalten bleiben höchstpersönliche Rechte (Art. 407 ZGB). Die umfassende Beistandschaft kommt nur dort zur Anwendung, wo die Handlungsfähigkeit nicht sowieso aufgrund mangelnder Urteilsfähigkeit offenkundig fehlt.

Die Begleit-, die Vertretungs- und die Mitwirkungsbeistandschaft können auch miteinander kombiniert werden. Zusätzlich kann die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person punktuell eingeschränkt werden, was weitere Individualabstimmungen möglich macht. Die Aufgaben des Beistands werden im Einzelfall entsprechend den Bedürfnissen resp. dem Schwächezustand der hilfsbedürftigen Person angepasst und von der KESB in der Ernennungsurkunde umschrieben (Art. 391 Abs. 1 ZGB).

Zustimmungsbedürftige Geschäfte
Bei bestimmten Geschäften muss vorgängig die Genehmigung der KESB eingeholt werden. Verträge zwischen der Mandatsperson und der betroffenen Person bedürfen immer der Zustimmung der KESB, es sei denn, die verbeiständete, urteilsfähige Person erteilt einen unentgeltlichen Auftrag (Art. 416 Abs. 3 ZGB).
Die Beistandsperson muss für folgende Geschäfte, die sie in Vertretung der betroffenen Person vornimmt, einen begründeten Antrag auf Genehmigung an die KESB stellen, unter Beilage der entsprechenden Dokumente, auf welche sich das Geschäft stützt (Art. 416 Abs. 1 ZGB):

  • Liquidation des Haushalts, Kündigung des Vertrages über Räumlichkeiten, in denen die betroffene Person wohnt;
  • Daueraufträge über die Unterbringung der betroffenen Person;
  • Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft, wenn dafür eine ausdrückliche Erklärung erforderlich ist, sowie Erbverträge und Erbteilungsverträge;
  • Erwerb, Veräusserung, Verpfändung und andere dingliche Belastung von Grundstücken sowie Erstellen von Bauten, das über ordentliche Verwaltungshandlungen hinausgeht;
  • Erwerb, Veräusserung und Verpfändung anderer Vermögenswerte sowie Errichtung einer Nutzniessung daran, wenn diese Geschäfte nicht unter die Führung der ordentlichen Verwaltung und Bewirtschaftung fallen;
  • Aufnahme und Gewährung von erheblichen Darlehen, Eingehung von wechselrechtlichen Verbindlichkeiten;
  • Leibrenten- und Verpfründungsverträge sowie Lebensversicherungen, soweit diese nicht im Rahmen der beruflichen Vorsorge mit einem Arbeitsvertrag zusammenhängen;
  • Übernahme oder Liquidation eines Geschäftes, Eintritt in eine Gesellschaft mit persönlicher Haftung oder erheblicher Kapitalteilung;
  • Erklärung der Zahlungsunfähigkeit, Prozessführung, Abschluss eines Vergleiches; eines Schiedsvertrags oder eines Nachlassvertrags, unter Vorbehalt vorläufiger Massnahmen des Beistandes in dringenden Fällen.

Die Zustimmung der KESB ist nicht erforderlich, wenn die betroffene Person urteilsfähig ist und ihr Einverständnis zum Geschäft erteilt und ihre Handlungsfähigkeit durch die Beistandschaft nicht eingeschränkt ist (Art. 416 Abs. 2). Dies kommt vor allem für persönliche Angelegenheiten in Frage, während bei Geschäften mit finanziellen Auswirkungen zum Schutz der verbeiständeten Person die Mitwirkung der KESB im Vordergrund steht. 

Verbotene Geschäfte
Die Mandatsperson darf in Vertretung der verbeiständeten Person folgende Geschäfte nicht vornehmen (Art. 412 ZGB):

  • Bürgschaften eingehen;
  • Stiftungen errichten;
  • Schenkungen vornehmen (Ausnahme: übliche Gelegenheitsgeschenke).

Vermögenswerte, die für die betroffene Person oder für die Familie einen besonderen Wert haben, werden wenn immer möglich nicht veräussert.

Vertretung bei Urteilsunfähigkeit
Wird eine Person urteilsunfähig, die weder einen Vorsorgeauftrag noch eine Patientenverfügung errichtet hat, so sieht das Erwachsenenschutzrecht seit 01.01.2013 bestimmte gesetzliche Vertretungsrechte vor. Diese ermöglichen den Angehörigen, anstelle der urteilsunfähigen Person ohne grosse Umstände gewisse Entscheide zu treffen, so dass sie nicht um eine behördliche Massnahme wie eine Beistandschaft nachsuchen müssen.

1. Vertretung durch den Ehegatten, die eingetragene Partnerin oder den eingetragenen Partner

    1. Ein gesetzliches Vertretungsrecht für gewisse persönliche und finanzielle Angelegenheiten der urteilsunfähigen Person kommt dem Ehegatten bzw. der eingetragenen Partnerin oder dem eingetragenen Partner zu. Voraussetzung ist, dass ein gemeinsamer Haushalt mit der urteilsunfähigen Person besteht oder ihr regelmässiger und persönlicher Beistand geleistet wird. Das gesetzliche Vertretungsrecht umfasst
      • alle Rechtshandlungen zur Deckung des üblichen Unterhaltsbedarfs,
      • die ordentliche Verwaltung des Einkommens und des Vermögens,
      • nötigenfalls die Öffnung und Erledigung der Post.

Für Rechtshandlungen ausserhalb dieses Rahmens muss die Zustimmung der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde eingeholt werden. Diese entscheidet auch wenn zweifelhaft ist, ob die betroffene Person tatsächlich urteilsunfähig geworden ist. Ferner entzieht sie die Vertretungsbefugnis, wenn die Interessen der urteilsunfähigen Person gefährdet sind.

2. Vertretung bei medizinischen Massnahmen

    1. Gesetzliche Vertretungsrechte für einen breiteren Kreis von nahestehenden Personen bestehen neu bei medizinischen Massnahmen. Das gilt namentlich für Behandlungen, denen sich die urteilsunfähig gewordene Person unterziehen muss, ohne dass dazu eine Patientenverfügung vorliegt.

Das Erwachsenenschutzrecht bestimmt die Reihenfolge derjenigen Personen, welche die urteilsunfähige Person bei medizinischen Massnahmen vertreten:

    • Die in einer Patientenverfügung oder in einem Vorsorgeauftrag bezeichnete Person;
    • die Beiständin oder der Beistand, wenn diese oder dieser ein Vertretungsrecht bei medizinischen Massnahmen hat;
    • der Ehegatte oder die eingetragene Partnerin bzw. der eingetragene Partner, wenn ein gemeinsamer Haushalt mit der urteilsunfähigen Person besteht oder ihr regelmässiger und persönlicher Beistand geleistet wird;
    • die Person (z.B. Konkubinatspartnerin oder Konkubinatspartner), die mit der urteilsunfähigen Person einen gemeinsamen Haushalt führt und ihr regelmässigen und persönlichen Beistand leistet;
    • die Nachkommen, 6. die Eltern oder 7. die Geschwister, wobei hier verlangt wird, dass der urteilsunfähigen Person regelmässiger und persönlicher Beistand geleistet wird.